Ich sitze vor der Tastatur und grüble was ich als Einleitung zur Burgund Tour schreiben könnte. Es ist Ende Dezember 2020, bin leicht im Verzug mit dem Bericht und das Thermometer zeigt als Außentemperatur 1,5 Grad plus an. Na klar, denke ich mir, das ist perfekte Einstieg zur Reisereportage. La grand Chaleur – die grosse Hitze. Was haben 1,5 Grad mit grosser Hitze zu tun? Eigentlich nichts, aber wenn man noch 40 Grad dazu addiert, passt das. So warm war es tatsächlich am 31 Juli 2020 in Frankreich und ich war mittendrin statt nur dabei. Neugierig auf mehr?
Zwei Tage Gleitzeit müssen abgebaut werden, sonst verfällt die Zeit zugunsten des Arbeitgebers. Ein Szenario, das jetzt nicht wirklich sein muss. Also habe ich Donnerstag und Freitag frei, nehme mir für den Samstag auch nichts vor und fahre ein bisschen zu Nachbars rüber. Nach dem Lockdown des Frühjahrs mit den Grenzschliessungen eine willkommene Abwechslung im Motorrad Alltag. Was vor kurzem noch unvorstellbar gewesen ist, nun war es auf einmal Realität, keine Reisefreiheit mehr, für mich eigentlich unvorstellbar. Was macht Reisen aus? Sehenswürdigkeiten, gehören dazu, sind aber kein Muss. Was für mich wichtig ist, sind die Begegnungen mit anderen Menschen, die Sprachen lernen bzw verbessern. Genau das macht gelungene Reisen so unvergesslich für mich!
Auberive
Es gibt hier keine Wurstel con Krauti wie auf einem mir nicht unbekannten Alpen Pass. Es gibt hier keine Massenaufläufe von Motards oder Rennradlern. Was es hier gibt? Außer Ruhe gar nichts. Das stimmt nicht so ganz, das ehemalige Kloster ist natürlich noch da. Letztes Jahr war ich hier schon mal und da es irgendwie auf dem Weg lag. Bin ich noch einmal vorbeigefahren und mache im Schatten der grossen Laubbäume eine Pause. Mir gefällt es hier, also warum nicht?
Château de Montigny-sur-Aube
Das erste Chateau der Reise, welches ich besuchen möchte, hat leider Corona bedingt geschlossen. Im vergangen Winter hatte ich mir einige Highlights der Region in Maps gespeichert und plane diese bei der Tour abklappern. Jetzt nicht in jedes Gebäude rein, aber von außen sich alles mal ansehen, warum nicht. Hier geht aber gar nichts, Das Tor zum Hof ist geschlossen und eine grosse hohe Mauer versperrt die Sicht zum Château. Aber wozu habe die Drohne dabei? Ideal um mal kurz über den Zaun zu schauen, natürlich in respektablen Abstand und ohne Menschen zu belästigen. Bei der Hitze ist eh jeder froh nicht draußen rum zu rennen.
Chateau de Tanlay
Das ist echt gross, dieses Wasserschloss im Tal des Armançon. Ein Schild lädt zur Besichtigung ein und für kleines Geld kommt man in den grossen Park rein. Schon imposant dieses Gebäude, ich bin leicht beeindruckt. Und was fällt mir bei dieser Ansammlung von Baukultur ein? Wie lange es wohl dauert alle Fenster zu putzen?
Ich bemühe hier mal die Mutter aller Erklärbären und verlinke einen Artikel zum Chateau. Also wen und wenn es interessiert, guggst du hier oder direkt auf der Seite des Chateaus
Noyers-sur-Serein
Die kleine Ortschaft wurde in der Liste der schönsten Dörfer Frankreichs aufgenommen. Ein mittelalterliches Kleinod mit seinen Fachwerk Häusern, da lohnt sich ein Besuch wirklich. Der winzige Supermarkt neben dem Marktplatz hat auch gut gekühlte Getränke, nicht zu verachten bei inzwischen 37 Grad. Ich werde sicher nochmal kommen, aber nur wenn es etwas kühler ist.
Auxerre
Das Ziel des heutigen Tages ist erreicht. Wenn ich mir ein Hotel aussuche, versuche ich eines aus dem Verband der Logis de France zu buchen. Heute hab ich mal ne Ausnahme gemacht und das Ibis Centre gebucht. Die etwas gehobenen Kettenhotels haben Klimaanlage und das ist heute nicht zu verachten. Ausserdem liegt das Hotel zentral und nur durch eine Nebenstrasse getrennt an der Yonne.
Es ist ein Fehler, dass ich noch nicht in Auxerre war. Ein grosser Fehler wie es sich beim abendlichen Stadtrundgang herausstellt. Wie kann das mir passieren? Eine riesige, malerische Altstadt im typisch burgundische Stil mit herausgeputzten Fachwerkhäuser. Dazu gibt es diverse Parks und alles ist wunderbar mit Blumen und sonstigem Grünzeug geschmückt. Wer schon mal in Frankreich war, kennt die gelben Schilder am Eingang der Ortschaften. Bei Villages Fleuris hat Auxerre 4 von 4 Sternen, völlig zu Recht. Ich würde, was es aber nicht gibt, noch einen dazu geben.
Es gibt wirklich viel zu sehen, dazu noch diverse Kirchen, Museen und last but not least, einen Uhrenturm. Das Abendessen mit einem hervorragenden Chablis in einem der zahlreichen Restaurants am Ufer der Yonne rundet den Tag perfekt ab. Au revoir Auxerre et à la prochaine fois!
Vézelay
Mit einem famosen Sonnenaufgang begann der Tag und, um den frühen Vogel nicht zu wecken, fuhr ich niedertourig aus der Stadt. Natürlich nicht ohne vorher eine Reihe Fotos aufzunehmen. Das milde Licht setzte die Stadt nebst dem Fluss wunderbar in Szene, ein perfekter Tag kündigte sich an.
Ich war schon mal bei einer früheren Tour in dem kleinen Dorf mit der mächtigen Basilika. Ein Ausgangspunkt für den Jakobsweg und daher ist es Wallfahrtsort für zahlreiche Pilger. Zuerst pilgerte ich erstmal in ein Café am Strassenrand und bestellte zum Frühstück einen grossen Café au Lait mit Croissants. Perfekter kann ein Petit Dejeuner gar nicht sein.
Canal du Nivernais
Der Kanal beginnt in Auxerre und endet in Saint-Léger-des-Vignes bei Decize. Es war früher einfacher Güter auf dem Wasser zu transportieren, als die holprigen Straßen zu benutzen. Den wirtschaftlichen Nutzen haben die Wasserstraßen inzwischen verloren. Mittlerweile ist es Dorado für unzählige Freizeit Kapitäne, wer kein eigenes Boot hat, kann sich überall Hausboote mieten. Auch sind parallel zum Kanal sehr gute Fahrradwege auf den ehemaligen Treidelpfaden angelegt. Der Canal du Nivernais gilt als einer der landschaftlich schönsten Kanäle Frankreichs. Da werde ich doch irgendwann mal das Rennrad nehmen und die Gegend intensiver erkunden.
Besonders hat mich die Schleusentreppe bei Sardy beeindruckt. Auf einer Strecke von 3,5 Kilometern wird der Höhenunterschied mit 16 Schleusen überwunden. Das sieht tatsächlich wie eine Treppe aus, obwohl man nicht alle Schleusen auf einmal sieht. Wenn ich schlau gewesen wäre, hätte ich auch Luftaufnahmen mit der Drohne machen können. Tja … muss ich wiederkommen.
Digoin
Da bin ich auch nicht zum ersten Mal. Wen wundert es noch. Aber warum fahre ich manche Orte mehrmals an? Das kann ganz praktische Gründe haben, z.B. gute Restaurants oder Cafés, es gibt Einkaufsmöglichkeiten, Tankstellen oder es gefällt mir einfach nur gut dort. Digoin ist so ein Fall. Die typische französische Kleinstadt ist hier, leicht verschlafen und doch mit em gewissen Charme. Das Besondere hier ist allerdings die Kanal Brücke über die Loire. Es gibt noch ein oder zwei mir bekannte Orte, wo es das zu sehen gibt, aber Digoin ist für mich relativ einfach zu erreichen. Neben der Loire gibt es hier folgende Schifffahrtskanäle - Canal latéral à la Loire, Canal de Roanne à Digoin, Canal du Centre
Semur-en-Brionnais
Mal wieder eines der schönsten Dörfer Frankreichs, bald habe ich alle gesehen. Na, na … junger Mann, nicht gleich wieder übertreiben. Du hast schon relativ viele gesehen, aber alle ist doch leicht übertrieben.
Aber das Schinken Sandwich, welches das Restaurant dort ausserhalb der normalen Essenszeit anbietet, ist wirklich gut. Das ist jetzt nicht übertrieben. Nun hat im Laufe der Fahrt das Thermometer der Yamaha die 40 Grad Marke geknackt. Das finde ich reichlich viel, um nicht zu sagen, übertrieben. Ausser ich schreibe schon wieder übertrieben, das wäre dann wirklich übertrieben.
La Clayette
Frisch gestärkt und ausreichend getrunken führt mich der Weg weiter durch das Brionnais. Eine ländliche Gegend, nur selten von Ortschaften unterbrochen. Entspanntes Rollen bis zum letzten Etappenziel des Tages bevor es zum Hotel geht. Einmal flackert für ein paar Kilometer die 41 im Thermometer auf. Das hatte ich noch nicht an der Tracer. In Marokko war ich schon mal deutlich wärmer unterwegs, aber in Frankreich?
Kurz bevor ich La Clayette erreiche, fängt die Yamaha an zu tänzeln und zeigt ein Kurvenverhalten Jenseits von Gut und Böse. Da habe ich schon öfters, auch bei anderen Motos, erlebt. Der Hinterreifen hat irgendwo ein Loch und sämtliche Luft ist ziemlich schnell raus. Merde - sagt der Einheimische. Die Ortschaft ist schon in Sicht und so schleiche ich ganz vorsichtig zu einer Motowerkstatt. Der Typ sagt, sie machen nur kleine Motos bis 125ccm, was das mit dem platten Reifen zu tun hat, kann er mir nicht erklären. Blödmanns Gehilfe.
Am anderen Ortsende gibt es eine Filiale einer grossen internationalen Werkstatt Kette. Da wird mir geholfen und zwar ohne Probleme. Zuerst gibt es kleine Flasche eiskaltes Wasser auf Kosten des Hauses, ind der grossen Werkstatt wird schon der Hinterreifen ausgebaut. Ein sehr freundlicher Typ, er fährt selber Moto, erledigt das ganze Malheur in 20 Minuten. Also inklusive Ein- und Ausbau. Dafür möchte er 10 Euro haben, die bekommt er auch von mir, natürlich inklusive einem zweiten Schein Trinkgeld. Er wird das hier nicht lesen, trotzdem … MERCI beaucoup monsieur, très gentil!
Hostellerie Bressane
Diese kleinen familiären Landhotels in Frankreich, ich liebe sie. Meistens hat hier noch der Patron das Zepter in der Hand, man wird liebevoll begrüsst und zu seinem Zimmer geleitet. Leider ist das wohl eine aussterbende Spezies, früher gab es die gefühlt an jeder Ecke. Wer weiss, wie viele die Corona Pandemie nicht überleben. Schade um jedes einzelne.
Die Hostellerie Bressane in Saint-Germain-du-Bois ist ein Landhotel wie es im Buche steht. Das habe ich nicht zufällig gefunden, sondern ziemlich lang gesucht. Eigentlich wollte ich die Nacht im Jura verbringen, aber glücklicherweise bin ich dort nicht hingefahren. Das kommt erst morgen.
Es ist am Abend immer noch brütend heiss, so nehme ich nur das kleinere Menu. Eigentlich wollte ich richtig zuschlagen, aber wirklichen Hunger habe ich nicht. Nur trinken ist angesagt, etwas Wein aber viel Wasser. Wenn ich wieder in der Gegend bin, komme ich sicher wieder vorbei. Das Essen war ganz ausgezeichnet und von erlesener Qualität, das Preis - Leistung Verhältnis hat absolut gestimmt. Gerne wieder!
Jura
Von Saint-Germain-du-Bois bis nach Lons-le-Saunier sind es knapp 30 Km, und dann geht es in die Berge des Jura. Es wird endlich kühler werden, nicht viel, aber nicht mehr so extrem warm. Für den Sonntag sind schwere Gewitter vorhergesagt, Zeit nach Hause zu fahren. Was soll ich gross über das Jura noch schreiben, das wäre irgendwie , wie Eulen nach Athen tragen. Es gibt ja schon zahlreiche Einträge über diese Region auf meinem Blog. Weitere sind nicht ausgeschlossen 😊
Das soll es mal gewesen sein und ich möchte die Reportage hier beenden. Wenn es die Situation wieder zulässt, gibt es in 2021 sicher eine Fortsetzung. Mir schwebt etwas mehr Beaujolais vor, dahin möchte ich die Priorität verlagern. Vielleicht auch mal nen Tag länger, vielleicht etwas enger.Aber Burgund wird sicher dabei sein und nicht zu kurz kommen.
Eigentlich wollte ich mit einem geschätzten Freund die Tour zusammen fahren. Leider wird das nie wieder möglich sein. Herbert, ich musste an dich denken, du hättest auch deinen Spass gehabt. So habe ich mein Glas auf dich erhoben, an die guten und sehr schönen Zeiten gedacht. Natürlich habe ich deinen Schluck gleich mitgetrunken. 🍷 kennst mich ja 😊
Vielen Dank fürs Lesen!
GrüssleJojo