Monte Sibillini 10

Monte Sibillini

Heute sollte ein besonderer Tag werden, einen Tag, den ich wohl nicht so schnell vergessen werde.

Einen Teil des Frühstücks unter wohlwollenden Blicken der Signore eingepackt, mittlerweile lagen für mich Alu Folie und Tüten bereit. Die Chefin war immer am Morgen für die Betreuung der Gäste zuständig, ihr Mann war für den Spätdienst zuständig. Das Tor zum Parkplatz war noch abschlossen und sie öffnete mir und fragte beiläufig, wohin es gehen sollte. Als sie das Ziel hörte rollte sie nur mit den Augen …. Parco Nazionale dei Monti Sibillini.

  • Monte Sibillini-11
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    Monte Sibillini-11

    Vorbei an Perugia im morgendlichen Berufsverkehr, der übliche Stau und dann etwas öde Schnellstraße bis nach Foligno und es war wieder kleine schmale Landstraße in Richtung Macerata angesagt. Es gibt inzwischen auch eine 4spurigen quasi Autobahn, aber da verpasst man das Beste, Mein erstes angedachtes Ziel war Visso, da war ich letztes Jahr schon und es gibt dort ne Tanke. Das ist bei dem kleinen Tankvolumen der Ducati nicht zu verachten.

    Nun ist Visso bereits im Erdbeben Gebiet, aber ich hatte Fotos letztes Jahr in deutschen Zeizungen gesehen und die Bilder waren harmlos. Es stand in den Medien, dass ein paar Steine von den Häusern gebröckelt wären. Ab Muccia schlängelt sich die SS209 langsam aber sicher in die Berge hoch nach Visso. Mit jedem Kilometer den ich meiner Destination näher kam, wuchs das Ausmaß der Zerstörung. Erst waren einige alte Hütten zusammengestürzt, dann wurde es immer schlimmer. Halbe Ortschaften langen in Trümmern, kurz vor Visso wurde der Verkehr per Ampel einspurig durch Borgo Sant´Antonio geleitet. Das ist der letzte Ort vor Visso. Da steht nicht mehr viel und das ist vorsichtig formuliert.

    In Visso war Schluss. Freundlich, aber bestimmt sagte mir der Polizist, dass ab nun ALLE Straßen gesperrt sind. Die Tankstelle hatte ich im Auge und die Frage nach Benzin …keins mehr da. Er zeigte mir auf der Karte, dass es absolut kein Durchkommen für mich gibt. Ich sollte weiträumig über Ascoli Piceno ausweichen, um dann weiter südlich an den Monti Sibillini vorbei zu fahren. Das sind ca. 100Km „Umweg“ und er meinte nur, das die Gegend hermetisch abgeriegelt ist. Alles andere würde mich nicht weiterbringen. Da war ich erstmal sprachlos, so was hätte ich nicht erwartet.

  • Terremoto-16
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    Terremoto-16

    Also habe ich diese Route gewählt und bin komplett um das Massiv herumgefahren. Manchmal waren die Zerstörungen stärker dann wieder schwächer oder es war auf den ersten Blick nichts kaputt. Bei Taverna Piccinini erreichte ich das Tal des Tronto und ich fuhr weiter in Richtung Rieti, direkt ins Zentrum des letztjährigen Bebens. In der Nähe von Acquasanta Terme waren die ersten kollabierten Häuser zusehen, jetzt noch nicht so schlimm. Natürlich schon für Betroffenen, aber so wie es mir schien war doch noch einiges OK. Ganz anders das Bild ungefähr 10 Kilometer später.

    Es ist eigentlich egal wo ein solches verheerende Erdbeben sich ereignet, schlimm sind sie alle, ohne Ausnahme. Nur hier ist das für mich etwas völlig anderes, Greifbares. Nicht die üblichen 1:30Min Berichte in der Tagesschau, hier sieht man das ganze Elend direkt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es aussieht wenn ein ganzer Ort in Trümmern liegt, einfach schockierend. Ich kenne die Gegend und leide mit den Leuten mit. Die ehemals schönen idyllischen Bergdörfer sind nur noch Schuttkegel, Ortschaften wie z.B. Accumoli, Arquata del Tronto, Amatrice nicht mehr existent. Was ein Drama!

  • Terremoto-14
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    Terremoto-14

    Dafür sind jetzt hier unten im Tal viele Containerdörfer, Wohnwagen und Holzhütten zu sehen. Irgendwo müsse ja die Überlebenden wohnen und mein Gedanke ist, wohl sehr, sehr lange. Das hört sich bitter an, aber wer will das alles wiederaufbauen? Lohnt sich das überhaupt Und in welchem Zeitraum? Woher soll das viele Geld kommen? Der Staat ist ja nicht mal in der Lage seine Infrastruktur zu erhalten. Wo „Freude“ aufkommt bei solchen Katastrophen? Bei der Mafia!

    Sämtliche Straßen, welche in die Berge zu den zerstörten Ortschaften führen, sind von Polizei und Militär abgeriegelt. Da werden wohl nur Hilfskräfte und Einheimische durchgelassen. Ich habe eigentlich auch kein Bedürfnis das Elend aus der Nähe zu sehen, helfen kann ich eh nicht.  

    So fahre ich in weitem Bogen via Cascia wieder zurück zum Lago Trasimeno. Sehr nachdenklich gehe ich ins Bett.

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